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Die Ziegenverkäuferinnen aus Minab: Arbeiterinnen? Hirtinnen?, Ehefrauen?, Mütter?.../Mansoureh Shojaee
Translated by : Parwin Abkaii/ Fotos :Ali Golshan und Masud Naseri
Samstag 10. Oktober 2009, von
Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [English]
Feminist School: Anlässlich des Internationalen Tages der Arbeit richten wir unseren Blick auf eine Anzahl von Frauen, die ohne Anerkennung und entsprechenden Lohn ein hartes und anstrengendes Leben führen: Die Ziegenverkäuferinnen auf dem Donnerstagsmarkt in Minab.
Sie brachten die Ziegen auf den Markt. Diese Ziegen waren nicht zum Opfern für die “Zar-Zeremonie“ gedacht. Sie sollten hier verkauft werden. Wir befinden uns auf dem Ziegenmarkt in Minab
Hier gibt es die kahle Erde und kein Wasser. Hier gibt es Vieh und kein Gras. Staub wirbelt und kein Reiter ist weit und breit zu sehen. Dafür aber… die leise klingelnden Fußschellen und der schmeichelnd leise Gang der Frauen, der heiße Wind und der kaum merkliche lange Schatten der “Garam Zangi†Alles deutet auf die Anwesenheit von Frauen, die ohne Hoffnung auf die Hilfe eines berittenen Mannes hier zusammen kommen, um ein Paar Ziegen aus ihren nicht besonders zahlreichen Herden zu verkaufen.
Wortlos und mit maskierten Gesichtern, aber mit kraftvollen Händen und schweren Schritten auf hartem Boden, der sie stolz trägt, erscheinen sie hier. Sie sind aus den nahen und fernen Dörfern gekommen, wo ihre Arbeit in diesem Landstrich unbemerkt und unbelohnt bleibt, aber in ihren Häusern und Hütten man immer mit ihrer erfreulichen Gegenwart rechnen kann. Man wartet daheim auf sie, damit sie mit der Zauberkraft ihrer Hände den leeren Tisch aufdecken und Kinder, Mann und manchmal auch die Nebenfrauen liebevoll mit Essen versorgen.
Ich habe den Donnerstagsmarkt von Minab einige Male gesehen und darüber geschrieben; die bunten Körbe, die roten Suragh und die roten Masken, das Elend und das viele Schwarz. Die Härte gnadenlosen Lebens haben mich lange mit sich getragen. Man hörte das Meer in den geflochtenen Körben… nahm den Geruch des wogenden Meeres wahr und den nicht gerade angenehmen Duft des roten Suragh. Ich hörte die Geschichten vom Meer und sah das düstere Geheimnis um die roten Masken, die mir schöner erschienen als die meeresmüden Augen, die dahinter blickten.
Aber die Geschichte der Ziegenverkäuferinnen ist eigenartig und neu für mich. Es geht ein heißer Wind, ein Wind, der einem krank macht. Der Wind bricht die Bambusstangen und trägt das Meer mit sich. Die Ziegen dürsteten dem Augenblick ihrer Schlachtung entgegen. Die Angst nistet in den Herzen, und es wird
auf eine mit Ziegenblut gefüllte Schale mit Bambus geschlagen. Die Frauen sind um die Wirksamkeit der Opfergabe besorgt und zugleich ängstlich, dass daheim wegen der geopferten Ziege vielleicht doch nicht genug zum Essen gibt.
Ja wir befinden uns auf dem Donnerstagmarkt der Ziegenverkäuferinnen zu Minab.
– Wie viel Ziegen hast du seit heute früh verkauft?
– Es war nicht schlecht. Fünf oder sechs
– Was haben sie gekostet?
– Eine männliche Ziege zum Opfern für 40 Tuman und eine weibliche Ziege für 60 Tuman
– Bist du zufrieden?
– Es ist nicht schlecht
– Was macht dein Mann?
– Er ist Hirte
– Wie viele Kinder habt ihr?
– Von mir fünf.
– Gibt es noch eine andere Frau als dich?
– Es sind noch zwei andere Frauen mit ihren Kindern
– Ärgert dich das nicht?
– Was kann ich denn tun?
– Kommt ihr finanziell über die Runden?
– Nein eigentlich nicht
– Warum hat denn dein Mann noch Mal geheiratet?
– Ich bin selbst seine dritte Frau
– Dann wolltest du es selbst
– …….
– Warum hast du denn so viele Kinder?
– Wenn ich nicht so viel Kinder hätte, hätte mich mein Mann nicht behalten
– Hast du nur diese eine Ziege zu verkaufen?
– Ja diese habe ich gekauft, um sie hier zu verkaufen
– was bleibt dir vom Verkauf?
– 10 bis 15 Tuman
– Hast du einen Mann?
– Ja
– Was macht er denn?
– Er ist Hausmeister in einer Schule. Er hat sehr wenig Einkommen. Das Geld reicht uns nicht. Wenn er eine Gehaltserhöhung bekäme, ginge es uns nicht so schlecht
– Hast du auch Kinder?
– Ja zwei
– Dann ist es doch unter diesen Umständen besser, dass du keine Kinder mehr bekommst!
– Ich habe keine Tochter, nur zwei Söhne. Ich wünsche mir eine Tochter
– Will es dein Mann auch?
– Ja
– Hat dein Mann keine andere Frau?
– Nein. Gott sei Dank. Er macht sich nichts daraus
– Was machst du sonst außer Ziegen zu verkaufen?
– Ich arbeite eigentlich viel
– Wo?
– Im Haus, auf den Feldern.
– Von diesen Arbeiten kriegst du nicht genug und deswegen muss du auch hier arbeiten, stimmt?
– Ich arbeite hier nicht. Hier verkaufe ich Ziegen
– Wie viel Ziegen hast du schon heute verkauft?
– Zwei
– Wie viel Zigen hast du noch?
– Keine mehr. Diese hier gehört meinem Sohn
– Warum verkauft er seine Ziege nicht selbst?
– Er kann das noch nicht
– Muss man denn so was können?
– Es braucht seine Zeit bis er das lernt
– Wie alt ist er denn?
– Vier und zwanzig
– Warum kommt dein Mann nicht hierher?
– Das ist nicht seine Sache.
– Hat er noch eine andere Frau?
– Ja klar
– Wieso?
– Die Männer lieben es, mehrere Frauen zu haben.
– Wie meinst du, kann man ihnen klarmachen, dass sie nicht mehrere Frauen haben dürfen?
– ….Das Gesetzt erlaubt es ihnen ja
– Wir wollen ja erreichen, dass die Regierung mit einem neuen Gesetz das verhindert
– Die Regierung will es ja selbst. Wie wollt ihr das denn verhindern?
– Wo ist denn dein Mann?
– Er ist krank
– Wo sind denn die Kinder?
– Die sind nicht hier
– Ist dein Mann alleine?
– Nein seine Frau ist bei ihm
– Und was ist mit dir?
– …….
– Warum hat dein Mann noch Mal geheiratet?
– So sind halt die Männer
– Hat du nicht gefragt, warum er das gemacht hat?
– Nein
– Gefällt dir das?
– Nein ich habe mich daran gewohnt
– Woran hast du dich gewohnt?
– …….
– Wäre dir lieber er hätte keine andere Frau?
– Ja klar
– Würde es dir gefallen, wenn es ein Gesetz gäbe, das den Männern das verbietet?
– Ja klar
– Wo ist denn dein Mann?
– Daheim
– Warum kommt er nicht hierher?
– Das ist nicht seine Sache
– Und die Kinder?
– Die sind in der Wüste
– Wo ist denn dein Mann?
– Er arbeitet auf dem Meer
– Und die Kinder?
– Die sind daheim?
– Sie sind allein daheim?
– Nein
– Passt deine Mutter auf?
– Nein
– Die Nachbarn?
– Nein. Sie sind bei der Nebenfrau
– Sie hilft dir?
– Ja. Ich helfe ihr auch
– Magst du sie?
– …..
– Was ist mit deinem Mann, magst du ihn?
– Nein, nein, er ist launisch und lüstern.
– Wie meinst du, könnte man das verhindern?
– Man müsste ein Gesetz machen, das die Männer nicht erlaubt, mehrere Frauen zu nehmen.
– Belästigt man dich nicht hier?
– Nein, warum denn?
– Weil du allein hierherkommst, um die Zigen zu verkaufen!
– Andere Frauen tun das auch hier.
– Belästigen sie denn die Männer nicht?
– Die trauen sich das nicht.
– Hast du keinen Ehemann?
– Nein, er ist schon tot.
– Du bist doch noch so jung, warum heiratest du nicht noch einmal?
– Jetzt noch nicht. Es gibt noch meinen Vater
– Verkauft er auch Ziegen?
– Nein, er ist alt und krank. Ich bringe die Ziegen auf den Markt
– Wer bringt die Ziegen auf die Felder?
– Ich mache das.
– Was ist mit den Ziegen, wenn du in die Stadt kommst?
– Ich komme ja nicht jeden Tag in die Stadt. Wenn ich hierher kommen muss, passt jemand anders auf sie auf.
– Was ist mit deinen Brüdern?
– Sie sind nicht da. Sie arbeiten auf dem Meer.
Heimarbeiterinnen? Feldarbeiterinnen? Arbeiterinnen ohne Lohn? Hirtinnen? Zwischenhändlerinnen? Mütter? Ehefrauen? Zweit- bzw. Nebenfrauen? Wie soll man sie nennen, diese Namenlosen, die der Stolz des Alltags sind? Man kann ihr Dasein als ein Amalgam aus primitiven Lebensformen und der Kultur verstehen. Und sie von einer Gesetzgebung umgeben wissen, die aus einer Zeit stammt, die diese Lebenskultur nicht vorantreibt, sondern ihr eindeutig hinterher läuft.
Ihnen gehört nicht einmal die Ziegen, die sie verkaufen. Sie sind nur arme Zwischenhändlerinnen, die mit dem Verkauf von einer oder zwei Ziegen in der Woche zu überleben versuchen. Sie sind aber auch liebevolle und anspruchlose Hirtinnen der Herden von ihren Männern, Söhnen und Vätern, die dann nach dem Tod dieser Männer auch dieser Möglichkeit beraubt werden und einsam und verlassen, ohne jeden Schutz zurückbleiben. Dennoch werden sie stolz und wortkarg den Weg der Liebe gehen.
Es scheint, dass diese Frauen keinen anderen Ausweg aus ihrer Misere finden, als sich selbst mit dem “Bambusstock des Unglücks†zu schlagen und das Ende der Lüsternheit ihrer Männer von einer Regierung zu fördern, die selbst auf dem “schwarzen Wind†der Männlichkeit reitet … Es scheint auch keinen anderen Ausweg für sie zu geben, als den “Nobanwind†zu packen und von ihm den gerechten Anteil aus ihrer Arbeit abzuverlangen und bei einer Regierung ankommen, die alles männlich und ungleich verteilt.
Ja das sind die Frauen aus Minab… Frauen, die bereit waren, den Abdruck ihrer geplagten Finger auf einen Dokument zu leisten, die ihre Hilferufe ohne Hilfe von Winden wie dem “roten Wind Noban oder Shaikh Shangar†in die Welt schicken. Frauen, die nichts besitzen und die ganze Last des Lebens auf ihren Schultern tragen. Frauen, die bald in alle Winde zerstreut sein werden und jetzt die Ziegen hüten, die bei ihren eigenen Zar-Zeremonien geopfert werden sollten.